Die Pillow Queens aus Irland setzen das Versprechen und das Potenzial ihres Debüts mit ihrem gewaltigen Zweitwerk Leave the Light On fort.
„Someday, you will have my head-you will have my head on a silver plate….“ Für manche ist er einer der polarisierendsten Late-Night-TV-Persönlichkeiten. Sag, was du willst oder schon über James Cordon gesagt hast, aber Anfang 2021 ist er dafür verantwortlich, dass Nordamerika die Pillow Queens kennenlernt.
Pillow Queens Debüt aus 2020
Das Quartett hat sein Debütalbum „In Waiting“ im Herbst 2020 in seiner Heimat Irland veröffentlicht. Wie früher, als zwischen der internationalen Veröffentlichung eines Albums und seiner Ankunft in den USA oft eine lange Zeitspanne lag, fand In Waiting im November letzten Jahres offiziell seinen Weg zu einem nordamerikanischen Label.
▶ Pavement – Der dunkle Abschied
In einem kurzen Zoom-Interview mit Cordon in der Late Late Show präsentierte die Gruppe eine sozial distanzierte, aufwändig gefilmte Performance des mitreißenden Songs „Liffey“. Sie eröffneten mit einer eindringlichen, wunderschönen A-cappella-Runde der vier Frauen in Pillow Queens, die den makabren Text „Someday, you will have my head-you will have my head on a silver plate“ sangen, bevor das donnernde Schlagzeug und knackige Gitarrenakkorde einsetzten.
Nun kommt das zweite Album
Vier Monate nach dem Erscheinen der ersten LP der Band in Amerika und etwa anderthalb Jahre nach der Erstveröffentlichung im Ausland melden sich die Pillow Queens mit ihrem zweiten Album Leave the Light On zurück, vielleicht um den Schwung aufrechtzuerhalten, den sie stetig aufgebaut haben. Schon zu Beginn des Albums wird klar, dass die zehn Songs viel mehr auf dem Spiel stehen als die des Vorgängers. Das Album ist im Vergleich dazu viel gigantischer.
Musikvideo – Hier kommen die Pillow Queens:
Die Pillow Queens haben sich 2016 gegründet und ihre musikalische Geschlossenheit und ihr Selbstvertrauen sind auf Leave the Light On noch deutlicher zu spüren, ebenso wie die ausgefeilte Produktion. Durch die erneute Zusammenarbeit mit dem Produzenten Tommy McLaughlin, der schon bei In Waiting hinter den Reglern saß, ist die enorme Qualität der Arrangements und der Instrumentierung atemberaubend. Es ist selten, dass ein Album so groß und kraftvoll klingt, aber Pillow Queens schaffen es mühelos. Auf Leave the Light On bauen die Pillow Queens zusätzliche Klangstrukturen ein – einschließlich eines subtilen Synthesizer-Dröhnens während des intensiven und hypnotischen „Delivered“. Sie experimentieren mit Gitarreneffekten und -klängen, was besonders in den ersten Momenten des schwelenden zweiten Tracks „The Wedding Band“ auffällt.
Pillow Queens unerbitterlich
Strukturell gesehen ist Leave the Light On sowohl hochintelligent als auch unerbittlich in der Art und Weise, wie es mit der Idee von Spannung und Entspannung spielt. Die erste Single des Albums, „Be By Your Side“, eröffnet das Album mit einem hymnischen Song, in dem du die Faust in die Höhe recken kannst, wenn der Refrain erklingt. „Hearts and Minds“, eine weitere Single, ist zwar nicht ganz so explosiv arrangiert, erreicht aber dennoch die enormen Höhen, die die Band anstrebt, und gehört zu den ansteckendsten Songs des Albums.
▶ Debüt von Priestgate
Auch wenn die Pillow Queens eine Formel gefunden haben, die bei überschwänglichen, gitarrenbetonten Songs gut funktioniert, ist Leave the Light On kein völliger Bombast. Die Pillow Queens verstehen es, sich zurückzuhalten, und hier ist es oft brodelnd und nervenaufreibend, was einen überraschenden Gegensatz schafft, der die gewaltigen Mitsing-Momente umso eindringlicher macht. Sie sind auch in der Lage, einen „Spagat“ zu machen, was in einigen der langsameren Songs von In Waiting deutlich wurde. Hier gibt es eine Handvoll Momente, wie „House That Sailed Away“, „No Good Woman“ und „Historian“, die ein schwelgerisches, verträumtes Gefühl einfangen und so etwas wie einen Doo-Wop-Sound der 1950er Jahre vermitteln.
Songs sind dunkel und voller Stimmung
Die düstersten und stimmungsvollsten Songs, sowohl musikalisch als auch textlich, finden sich in der Mitte von Leave the Light On. Die knurrenden, gedehnt klingenden Gitarren im bereits erwähnten „Delivered“ werfen einen unheilvollen Schatten, der sich zu einem kakophonischen und schwindelerregenden Höhepunkt steigert, während die Musik anschwillt. Die Wiederholung des Satzes „I’ve been delivered“ wird zu einem hypnotischen Mantra.
Die zweite Hälfte des Albums beginnt mit „Well Kept Wife“, das von den Arrangements her nicht ganz so grüblerisch ist – die glitzernde Basslinie und der Rhythmus erzeugen einen schleichenden Groove. Textlich ist es jedoch eines der düstersten Lieder. Der „Story Song“ erzählt eine beunruhigende Geschichte über die titelgebende Frau. Der Text „No one’s seen or heard from me in a while now“, der den Refrain eröffnet, gehört zu den erstaunlichsten Wendungen des Albums.
Textlich ist Leave the Light On nicht zweideutiger als die Texte auf In Waiting. Dennoch war das Debüt der Pillow Queens im Vergleich etwas nachdenklicher und persönlicher oder zumindest direkter in den Themen, die sie ansprachen – vor allem die sexuelle Identität, wie das ausgelassene und treffend betitelte „Gay Girls“ oder der Eröffnungstrack des Albums, „Holy Show“, zeigen.
Wehmütige Lyrik
Pillow Queens sind faszinierend, denn es ist nicht nur das eine oder das andere – die Lyrik oder die Instrumentierung – was die Gruppe „funktionieren“ lässt. Es ist die Konvergenz der beiden Elemente. Eine Zeile wie „No one’s seen or heard from me in quite some time“, aus „Well Kept Wife“, sticht heraus. Aber es gibt noch unzählige andere Beispiele für besondere Texte, die dich in deinen Bann ziehen, je länger du zuhörst, wie das unheimliche, düstere „Du küsst mich, als würden deine Lippen uns beide verraten“ in „Delivered“. „Wenn alle um mich herum wachsen, falle ich auseinander“, heißt es in der ersten Strophe von „Be By Your Side“. Im schwärmerischen „House That Sailed Away“ heißt es zähneknirschend: „Sie hat vor dir sprechen gelernt – hast du immer noch nichts zu sagen?
Leave the Light On schließt mit dem lyrisch wehmütigen, aber musikalisch verspielten „My Body Moves“ – der Schlüsselsatz im Refrain des Songs lautet: „Hold my body till you feel somebody new-anybody but my body. Moves“, und das letzte, gewaltige Aufatmen, „Try Try Try“. Hier ist ein weiteres Beispiel dafür, wie gut Pillow Queens die Strukturierung und Abfolge innerhalb eines Albums verstehen. Wenn „Be By Your Side“ als aufmerksamkeitsstarker Auftakt gedacht war, dann war „Try Try Try“ für den kurzen Rausch der Erleichterung am Ende bestimmt. Der Song, der von einem buchstäblich stampfenden Rhythmus und einem knackigen, höhlenartigen Snare-Effekt angetrieben wird, steigt nicht so hoch auf wie andere Momente des Albums, aber das muss er auch nicht. Stattdessen geht es langsam und triumphal nach oben – Leave the Light On ist selbst in seinen düstersten Darstellungen keine hoffnungslose Platte, aber „Try Try Try“ ist einer der wenigen wirklichen Momente des Optimismus, sowohl beim Schreiben als auch beim Arrangieren.
Pillow Queens setzen damit ihr Debüt fort
Die Fortsetzung eines Debüts, vor allem eines so hervorragenden und durchdachten wie In Waiting, kann für einen Künstler eine Herausforderung sein. Wenn diese Platte unter anderem der Klang eines Potenzials oder eines Versprechens war, dann ist Leave the Light On der Klang dieses Versprechens, das erfüllt wird. Es zeigt, wie schnell die Pillow Queens als Band gewachsen und gereift sind. Leave the Light On setzt sein Ziel so hoch wie möglich und verfehlt es nur selten – es macht Spaß, ist riesig in seiner Klangwelt und nimmt dich mühelos mit seiner Kraft gefangen. Aber selbst in diesem gewaltigen Ausmaß ist es überraschend intim und menschlich, was es genauso nachdenklich, wenn nicht sogar noch nachdenklicher macht als das Debüt der Pillow Queens.